Gute und sichere Sicht – Von der Stange geht das nicht

Dieser Artikel ist erschienen in der wt wehrtechnik Ausgabe: I/2016 auf Seite 23.

Seit Juli 2015 führt Frau Dr. Tanja Lindermeier als Geschäftsführerin die Geschicke der GuS (Glas und Sicher­heit) in Lübbecke, ein mittelständisches Familienunternehmen, das auf dem Gebiet von Winkelspiegeln als weltweit führend gilt. wt Wehrtechnik sprach mit Frau Dr. Lindermeier über das Erfolgs­konzept der Kundenorientierung, das dem Unternehmen in der Vergangenheit und für die Zukunft genügend Spielraum für die Fortentwicklung seiner Produktlösungen an die Hand gibt. GuS ist seit langem ein wichtiger Zulieferer deutscher Fahrzeugher­steller von Winkelspiegeln und Panzerglas.

Für das Unternehmen ist, was das internationale Kundenumfeld anlangt, noch viel Potenzial vorhanden, da es traditionell sehr mit dem deutschen Markt verwurzelt ist, bekräftigt Dr. Lindermeier. Schon heute produziert GuS für mehr als 50 internationale Kunden. Der Bedarf dürfte sich bei diesen Kundennationen weiterhin stabil entwickeln, wenn nicht sogar - in Teilbereichen (neue Generation von Kampf-, Schützen- und Unterstützungspanzerfahrzeugen) - weiter erhöhen. Eine ausgezeichnete, über viele Jahre entwickelte Befähigung zur Marktdurchdringung besonders im europäischen NATO-Raum ist hierzu vorhanden.

„Wir arbeiten kundenorientiert, d.h. in erster Linie setzen wir die Bedürfnisse der Fahrzeugbauer um", sagt Dr. Lindermeier. „In früheren Jahren hatten wir einen einzigen Winkelspiegel; heute ist es so, dass wir uns mit den Kunden näher abstimmen und kundenspezifische Innovationen anbieten. Hier versuchen wir uns als echter Partner einzubringen."

Kennzeichnend für GuS ist die über Jahrzehnte angewachsene Vielfalt der Produkte. Inzwischen werden mehr als 200 verschiedene Ausführungen an Periskopen entwickelt, gefertigt und vertrieben. Somit greift das bewährte Konzept des „tailor-made", und GuS ist hier wahrlich einen Schritt seinen internationalen Konkurrenten voraus. „Hier sind wir ausgenommen gut aufgestellt. Wir sind sehr flexibel, da wir von Losgröße 1 bis zu großen Serien alles „in-house" produzieren können. Somit können Produkte sehr individuell gestaltet und auf den speziellen Bedarf adaptiert und produziert werden", erklärt Dr. Lindermeier. Bei der Umsetzung von internationalen Programmen kommt es sehr darauf an, dass die Produkte nicht nur nach hiesigen Standards, den Technische Lieferbedingungen (TL) der Bundeswehr qualifiziert sind, sondern auch nach der MIL-Spezifikation, dem US-­amerikanischem Standard. „Wobei wir beobachten, dass die TL inzwischen in vielen europäischen Partnerländern anerkannt wird", erklärt Wolfgang Wilde, stellvertretender Leiter des Vertriebs.


Technologieführer
 
„Das Kleben und Verbinden von Materialien ist unsere Kernkompetenz", so Dr. Lindermeier. „Damit sind wir entsprechenden Billigprodukten voraus." Ob Verbunde in Panzerglas oder im Winkelspiegel, überall werden bei GuS verschiedene Materialien - Kunststoffkörper, Glaskörper, Metalle, Keramiken - zu optischen Komponenten verbunden. Dr. Lindermeier be­tont, dass es eine Kunst und eine Wissenschaft ist, verschiedenartige Materialien selbst unter großen umwelttechnischen Belastungen dauerhaft zu verbinden und dabei optische Qualitäten konstant zu halten. Fast 40 Jahre Erfahrung machen GuS in dieser Hinsicht zu einem Technologieführer.

Die in diesem und in anderen Bereichen erreichten technologischen Standards bedingen eine konsequente Ausrichtung auf Forschung & Entwicklung (F&E) - für viele mittelständische Unternehmen ein anspruchsvolles Thema. Für GuS bedeutet dies eine Trumpfkarte, denn das Unternehmen verfügt über gute Kontakte zu Universitäten und renommierten Forschungsinstituten, bemerkt Dr. Lindermeier. „In Bezug auf Technologie­-Entwicklungen ist Deutschland ein hervorragender Standort, da es relativ leicht ist, sich mit Technikern oder Wissenschaftlern zu vernetzen und mit uns zusammen zu arbeiten", erläutert Dr. Lindermeier. Nach Ihrer Meinung kommt es darauf an, sich als Unternehmen sowohl durch Innovationen im Markt abzuheben als auch hohe Qualität zu garantieren. „Auf dieser Basis können dann unseren Kunden spezifische Lösungen angeboten werden, so waren wir auch bei der Korvette Klasse 130 mit Panzerglasscheiben beteiligt."

Was allerdings die Nachwuchsgewinnung von Fachleuten für das Unternehmen anbelangt, ist Dr. Lindermeier besorgt. „Es ist schwierig, gute Leute zu finden und diese für uns und für den Mittelstand zu bekommen. Das ist eigentlich die größte Herausforderung, mit der ich mich im Augenblick beschäftige", unterstreicht Dr. Lindermeier. Gerade für den Bereich F&E benötige das Unternehmen vor allem Experten, die sich auf einem bestimmten Gebiet gut auskennen und die sich mit dem ländlichen Standort arrangieren möchten.


Vom Produkt zur Lösung

Dr. Lindermeier führt weiter aus, dass GuS sich darauf fokussiert, Lösungen anzubieten - z.B. „Plug and Play"-Produkte, die eingesetzt werden, wenn es sich um Produkt-Aufwertungen handelt. „Für alle Kampf­wertsteigerungen haben wir eine Lösung hinbekommen", sagt Wolfgang Wilde stolz. „Ein anderes Beispiel sind die neuen geschlossenen Gehäuse, die im Gebrauch eine bessere Dichtigkeit erzielen und somit die Haltbarkeit des Produktes erhöhen. Manchmal kommt der Kunde mit sehr spezifischen Forderungen und Vorstellungen, auch was Kosten, Platzprobleme [im Fahrzeug] und Gewichtseinsparungen anbelangt", erläutert Wilde. Deshalb versucht das Unternehmen sich möglichst früh in die Projekte einzubringen, so dass durch die Zusammenarbeit der Ingenieure neue und bessere Lösungen entwickelt werden können. „Wichtig für den späteren Erfolg ist auch ein gutes Projektmanagement mit dem Kunden, so dass bspw. Abwägungen zwischen Kosten und Gewicht nicht außer Acht gelassen werden. Ein zielorientiertes Abwägen ist hier sinnvoll. In dem Sinne ist es unsere Verantwortung, den Kunden zur richtigen Lösung zu verhelfen", meint Dr. Lindermeier.

Zudem steht bei GuS das Thema Refit oder Modernisierung von Fahr­zeugflotten hoch im Kurs. Die Vergangenheit zeigte, dass alle Kampf­wertsteigerungen – etwa beim LEOPARD 1 bis hin zum LEOPARD 2 – umgesetzt und so neue Technologien überall mit berücksichtigt werden konnten. Bei der Kampfwertsteigerung für den LEOPARD sind zusätzliche Produkte hineingekommen, etwa mit Winkelspiegeln, die die Durchsicht in zwei Ebenen gewährleisten. Zusätzlich ist dann noch der Laserschutz für unterschiedliche Anwendungen hinzugekommen.

Der Geschäftsbereich Repair/Reparaturen ist für uns künftig von größerer Bedeutung, hebt Dr. Lindermeier hervor. „Wir überdenken, wie eine Verkürzung von Lieferzeiten erreicht werden kann und versuchen, unseren Kunden innovative Konzepte vorzulegen."


Zu guter Letzt

Bislang war man zu fast 100% für den militärischen Bedarfsträger tätig. Zivile Anwendungen rücken seit einiger Zeit mehr und mehr in den Fokus, so Dr. Lindermeier. „Unser Vorteil als mittelständisches Unternehmen sind kurze Entscheidungswege, die es uns ermöglichen, sehr viel rascher neue Konzepte umzusetzen. Deshalb freuen wir uns, wenn Kunden - zivile oder militärische Bedarfsträger - ihre Bedürfnisse an uns herantragen und wir die Möglichkeit haben, neue Lösungen zu entwickeln", bekräftigt Dr. Linder­meier. Mit Produkten „von der Stange" sei dies jedoch nicht zu gewährleisten. „Wir gehen daher konsequent auf die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden ein. Das hat uns stark und international bekannt gemacht", schlussfolgert Dr. Lindermeier. STN


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Das Foto zeigt Komponenten für einen Spähwagen. (Alle Fotos: STN)
Dr. Tanja Lindermeier, Geschäftsführerin, GuS GmbH: "Ich kenne keinen zweiten Winkelspiegelhersteller in Europa, der diese Vielfalt an Produkten anbietet."
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